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Filmdreh im Johannaheim: Verschickungskinder kehren nach Berlebeck zurück

Dreharbeiten zum Film über das Kinderkurheim Johannaberg.
Dreharbeiten zum Film über das Kinderkurheim Johannaberg. (© Beau Maibaum)

Detmold-Berlebeck. Heimweh, Drangsalierung, Gewalt: All das mussten Kinder in der Nachkriegszeit im DRK-Kinderkurheim Johannaberg erleben. In Berlebeck, unweit vom Hermannsdenkmal am Rande des Teutoburger Waldes gelegen. Bis zur Schließung 1973 wurden erholungsbedürftige Kinder vornehmlich aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg für jeweils sechs Wochen dorthin verschickt.

„Heute sehe ich die Kinderkur wie einen Knastaufenthalt. Für mich ist die Reise wichtig, weil ich im Heim mein inneres Kind abholen kann, das ich dort zurückgelassen habe. Jetzt hat das Haus keine Kontrolle mehr über mich.“ So wird das ehemalige Verschickungskind Anja Röhl in einer Mitteilung zum Filmdreh zitiert.

Während der Reise wollen die Betroffenen durch die alten Räume gehen, in denen von Möbelstücken bis zur Tapete noch vieles an die Zeit als Kinderkurheim erinnert. Im Gespräch mit anderen Betroffenen wollen sie ihre Erinnerungen abgleichen und vervollständigen. Davon erhoffen sich die Verschickungskinder, ihre Kindheitstraumata besser verarbeiten zu können, heißt es weiter.

Dokumentieren und heilen

Begleitet werden sie dabei von der Psychologin Sibylle Schuchardt. „Durch die Reise können die Teilnehmenden aus ihrer heutigen Erwachsenenperspektive ihre kindlichen Erfahrungen neu einordnen. Einst bedrohlich wirkende Räumlichkeiten können neu definiert werden“, erklärt sie. Insbesondere der Besuch zusammen mit anderen Betroffenen habe einen heilsamen Effekt.

Initiiert und gefilmt wird die Reise von einem Filmteam der Filmuniversität Babelsberg. Regisseur Silas Degen hat Archivmaterial und Zeitzeugenberichte gesammelt und ausgewertet. Das Ergebnis: Im Kinderkurheim Johannaberg herrschte - wie auch in vielen anderen Kinderkurheimen deutschlandweit - die schwarze Pädagogik. „Für die Missstände im Heim Johannaberg gibt es keine Beweise im klassischen Sinne, weil die wenigen Akten sie nicht verzeichnen“, erklärt Degen. Daher sei jeder einzelne Zeitzeugenbericht wertvoll. „Die teilweise sehr detaillierten und sich überschneidenden Berichte ergeben ein klares Bild der damaligen Zeit.“ Der während der Reise entstehende Dokumentarfilm soll den Betroffenen endlich eine eigene Stimme geben.

Bei Interesse können Betroffene aus dem Kinderkurheim Johannaberg noch an der Reise teilnehmen. Auch nimmt das Filmteam weiterhin Zeitzeugenberichte, Fotografien und Dokumente entgegen. Kontakt kann über die folgende Mailadresse aufgenommen werden: berlebeck@verschickungsheime.de